Before Sunrise - Zwischenstopp in Wien

Der Amerikaner Jesse und die Französin Celine lernen sich zufällig in einem Zug kennen. Sie ist auf dem Rückweg von Budapest nach Paris; er bereist mit dem InterRail-Ticket Europa und muss in wenigen Stunden in Wien den Flieger nehmen. Die beiden sind sich auf Anhieb sympathisch. Als der Zug in Wien einfährt, nimmt Jesse all seinen Mut zusammen und fragt Celine, ob sie die folgenden Stunden bis zu seinem Check-In am Flughafen nicht mit ihm verbringen will. Sie willigt ein und die beiden beginnen in den späten Nachmittagsstunden eine traumwandlerische Schlenderei durch die Stadt. Sie treffen ein paar skurrile Mitmenschen, bleiben aber sonst ganz bei sich und reden – über triviales und weltbewegendes, über sehr persönliches und sehr albernes. Sehr schnell wird aus der Sympathie Liebe – während der Morgen und der unweigerliche Abschied immer näher rücken… Muss man die „Liebe auf den ersten Blick“ glauben, um „Before Sunrise“ zu mögen? Wohl kaum, denn der Film nimmt auch den größten Zyniker gefangen und lässt ihn die aufkeimende Liebe zwischen Celine und Jesse miterleben. Dass dieses Gefühl aller Gefühle so deutlich spürbar wird, liegt vor allem an den beiden genialen Hauptdarstellern, die völlig unverkrampft und absolut natürlich agieren. Ihre Dialoge hören sich nicht nach einem Script an. Das damalige Portrait der „Generation X“ und ihrer Befindleichkeiten hat dadurch einen zeitlosen Kern. Schließlich erfährt jede Generation die Dinge, über die Jesse und Celine reden, neu und muss sie für sich bewerten. So ist „Before Sunrise“ neben der Liebesgeschichte auch ein präzises Bild einer Lebensphase irgendwo zwischen Kindheit und „wirklichem“ Erwachsensein, in der man alles zu wissen glaubt und trotzdem noch so viel lernen muss. „Before Sunrise“ ist nicht ohne Grund inzwischen ein Kultfilm, der bis heute zwei Fortsetzungen (Before Sunset und Before Midnight) nach sich gezogen hat. Es ist die Art von Film, die mit minimalen Mitteln (zwei sich unterhaltende Menschen) äußerst viel erreicht. Nicht nur, dass die Protagonisten sympathisch, intelligent und humorvoll sind, man kann sich so gut in sie hineinversetzen, erkennt so vieles wieder, dass der Film wie im Flug vergeht. Großes Kino braucht nicht immer die großen Gesten. Aufrichtig erzählte Erfahrungen fesseln auch. Neben den einzelnen Episoden ist das Projekt als solches sehr bemerkenswert, denn das gibt es nicht so oft im Film, dass der Regisseur und Autor mit seinen Akteuren über Jahrzehnte eine Beziehungsgeschichte weiterspinnt und das biologische Altern und persönliche Reifen seiner Protagonisten direkt mit einbezieht. Je länger das Projekt geht und je mehr „Before…“-Filme es werden, desto mehr von Ethan und Julie steckt in ihnen. DVD-Bildformat: 16:9 Ton: Dolby Digital 2.0 Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch Untertitel: Deutsch/Englisch/Spanisch/Türkisch/Dänisch/Dt. f. Hörg./Engl. f. Hörg./Finnisch/Griechisch/Hebräisch/Kroatisch/Norwegisch/Polnisch/Portugiesisch/Schwedisch/Slowenisch/Tschechisch/Ungarisch

Jan Noyer