Noch nie in meinem Leben (Staffel 1)
Auf den ersten Blick scheint es in der Netflix-Serie „Noch nie in meinem Leben“ mal wieder um die typischen Probleme zu gehen: die Coolness-Hierarchie an der Schule, Sex, erste richtige Liebe und natürlich Eltern. Doch tatsächlich gibt es in der Geschichte rund um die indisch-amerikanische Schülerin Devi noch vieles mehr zu durchleben. Und so tut sich nach einem oberflächlichen Einstieg eine richtig gute und überraschend tiefgründige Serie auf, die auch dann noch Spaß macht, wenn man die Schule schon (lange) hinter sich gelassen hat.
Was dich in der ersten Staffel von „Noch nie in meinem Leben ...“ erwartet:
Devi ist verknallt. Und das ausgerechnet in Paxton, den beliebtesten Jungen an der ganzen Schule. Natürlich weiß sie ganz genau, dass er sich eh nicht in sie verlieben wird. Denn als Klassenstreberin und noch dazu nach einem katastrophalen letzten Schuljahr voller Tragödien ist sie vollkommen außerhalb seiner Liga. Deswegen muss sie sich erstmal geschickt hocharbeiten in der Schul-Hierarchie und hat dafür schon die ersten Dates für sich und ihre zwei besten Freundinnen Eleanor und Fabiola ausgewählt. Trotzdem fragt sie Paxton kurzerhand, ob er mit ihr schlafen würde – schließlich kann man es ja mal versuchen. Und er sagt tatsächlich ja.
Dann kommt alles doch ein bisschen anders, weil Devi einen Rückzieher macht. Nur dass ihre besten Freundinnen jetzt denken, die beiden wären ein heimliches Paar. Um trotzdem bei Paxton am Ball zu bleiben, verstrickt sich Devi also schnell in ein Wirrwarr aus Notlügen und ist dabei leider alles andere als eine gute Freundin. Denn was sie nicht einmal mitbekommt: Nachdem Eleanor gerade riesig stolz darauf ist, die Hauptrolle im Schultheaterstück bekommen zu haben, taucht ihre Mutter wieder auf. Damals hat sie ihre Familie im Stich gelassen, um ihre großen Träume zu verwirklichen – und jetzt bringt sie erneut alles durcheinander. Währenddessen hadert Fabiola damit, erst sich selbst gegenüber einzugestehen und dann auch allen anderen zu sagen, dass sie lesbisch ist. Aber Devi hat ja nur ihre eigenen Sorgen im Kopf – also wird sie kurzerhand ersetzt.
Warum „Noch nie in meinem Leben ...“ überraschend gut ist:
Zu Beginn hat „Noch nie in meinem Leben“ diesen leicht überzogenen und irgendwie beliebigen Teenie-RomCom-Style, der unglaublich kitschig wirkt und kaum Zugkraft entwickelt. Dafür fallen die Charaktere etwas aus dem Rahmen und machen neugierig – was gut ist. Denn sonst wäre wohl schnell eine Alternative auf dem Bildschirm, bevor die Serie ihre eigentlichen Stärken entfalten kann. Und die hat sie auf jeden Fall: Zum Beispiel die wundervolle Mischung aus zum Teil absurd hochgespielten Alltagstragödien und der klugen Auseinandersetzung mit tiefgreifenden Problemen. Wie Devis ständigem Kampf mit ihrer vom indischen Leistungsdenken geprägten Mutter, zu der sie schon lange den emotionalen Kontakt verloren hat. Während der Tod des Vaters bei ihnen beiden tiefe Wunden hinterlassen hat, die sie sich nicht eingestehen können. Oder generell der immerwährende Konflikt zwischen einem amerikanischen Leben und den eigenen kulturellen Wurzeln, der nicht nur bei Devi immer wieder aufflammt.
Überhaupt zeigt „Noch nie in meinem Leben“ eine unglaublich erfrischende Vielfalt bei den Charakteren und ihren Hintergründen, bei ihren Träumen, ihren Herausforderungen. Da tut der leichte und mitunter etwas kindische Humor letztendlich ganz gut – denn so bleibt die gute Laune erhalten, während die erste Staffel uns dann doch ziemlich fest packt und durch eine ganz schöne Achterbahn der Gefühle schickt. Es ist mit der ganzen Serie wie mit Devi selbst: Die rotzig-egoistischen Phasen können ganz schön nerven. Aber sie sind auch vollkommen nachvollziehbar, weil sie nur so sie selbst sein kann. Letztendlich können wir gar nicht anders, als sie ins Herz zu schließen. Nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Schwächen.
Marius Hanke
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe