Der Sommer, als ich schön wurde (Staffel 1)
Sommer, Sonne, Strand ... und viele aktuellen Schönheitsidealen entsprechende Menschen: Amazon bedient sich für seine neue Serie nicht unbedingt der subtilsten Formel, um bei den Zuschauenden heftiges Schmachten und Sehnen auszulösen. „Der Sommer, als ich schön wurde“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jenny Han, in der sich eine Jugendliche vor malerischer Kulisse in einem komplizierten Liebesdreieck verfängt. So weit, so durchschaubar. Dass das Konzept samt seiner offenkundigen Klischees nicht im Meer der Langeweile ersäuft, ist der breitangelegten Charme-Offensive der Schauspieler*innen und den intelligenten Autor*innen zu verdanken.
Darum geht es in der Serie „Der Sommer, als ich schön wurde“:
Für Isabel alias Belly (Lola Tung) und ihren naseweisen großen Bruder Steven (Sean Kaufman) ist es Tradition, jeden Sommer von ihrer Mutter Laurel (Jackie Chung) nach Cousins Beach gekarrt zu werden. Dort bewohnt Susannah (Rachel Blanchard), Laurels beste Freundin, ein malerisches Strandhaus mit Pool, in dem sie gemeinsam die sonnigen Ferien über residieren und die Seele baumeln lassen dürfen. Zu traumhaft, um wahr zu sein, aber tatsächlich wahr: Susannah hat auch noch zwei hinreißende Söhne, die bei dem tollen Wetter am liebsten oberkörperfrei herumturnen. Da wäre der introvertierte, geheimnisvolle Conrad (Christopher Briney), auf den Belly schon seit Kindertagen einen Crush hat, und Jeremiah (Gavin Casalegno), der mit seinen blonden Löckchen und leuchtend blauen Augen Steine zum Dahinschmelzen bringt. „Einen meiner Söhne wirst du irgendwann heiraten!“ prophezeit die notorisch gut gelaunte Susannah Belly immer halb im Scherz. Aber eben nur halb! Und als die Parks diesen Sommer aus dem Auto steigen und in Empfang genommen werden, weht beim Wiedersehen eine etwas verheißungsvollere Brise als sonst über die freudigen Gesichter. Das liegt daran, dass Belly à la „Plötzlich Prinzessin“ vom Entlein mit Zahnspange und Brille zum Schwan – ohne Zahnspange und ohne Brille, denn so will es das Klischee – herangereift ist. Ein Umstand, der von den zwei Brüdern Conrad und Jeremiah sowie im Ort generell nicht unbemerkt bleibt …
Eine dieser Teenager-Sommer-Romanzen? Das kann doch nicht ...
Zugegeben, beim Zusehen stellt sich tatsächlich häufig die Frage, wie und warum das hier funktionieren kann. Schließlich schabt die Serie oft an der Grenze des Erträglichen. Keine Frage, es wird kräftig in die Klischeekiste gegriffen: Hollywood-typisch sehr viele retuschierte Menschen, erste kitschige Küsse unterm Feuerwerk sowie in warme Rosa-Orange-Töne getünchte Spaziergänge am Strand bei Dämmerung. Vielleicht liegt es an den liebevoll gestalteten und von charismatischen Schauspieler*innen verkörperten Figuren, die sich die meiste Zeit erstaunlich unblöd verhalten (und wenn sie es doch tun, werden nachvollziehbare Erklärungen nachgeliefert) – insbesondere Protagonistin Belly weiß ihre Gedanken und Bedürfnisse beneidenswert klar zu benennen. Vielleicht liegt es aber auch an der weitestgehenden Abwesenheit von üblen Gemeinheiten, „Gossip Girl“-Intrigen und sinnlos aufgebauschtem Drama, wodurch sich ein Schleier der Unschuld über das Geschehen wirft. Oder womöglich an den leicht ironischen Brechungen, in denen die Figuren offen die Sinnhaftigkeit ihrer eigenen Handlungen hinterfragen (etwa den altbackenen Debütantinnenball à la Jane Austen, zu dem Belly von ihrer „zweiten Mutter“ Susannah überredet wird).
Da sind zudem die Strandpartys, die Flirts und die unvoreingenommene Leichtigkeit, mit der queere Akzente gesetzt und diverse Figuren eingebettet werden. Aber es ist wohl vor allem die sensible Gratwanderung von der anfänglichen Unbekümmertheit zu ernsteren, schwereren Themen, die die Serie empfehlenswert macht. Jedenfalls wird man den Eindruck nicht los, dass die Showrunner es verstehen, Schwächen des Genres in Stärken umzuwandeln. Spätestens wenn dann im Hintergrund auch noch die coole Billie Eilish erklingt, dürfte die eine oder andere Person dem arglosen Zauber erliegen!
Nathanael Brohammer
Weitere Angaben
Filmtyp: Farbe
Sprachen: Englisch